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  >Klara Hobza | Biografie | 21.10. – 04.11.2012
     
     

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Berthold Reiß & Ben Kaufmann | Lycée Montaigne | 16.01. – 05.02.2010

»Anekdoten und Zitate sind für mich nie einfach Beispiele, Autoritäten, auf die ich mich stütze oder die ich zur Zierde verwende ... Oft tragen sie, abgesehen von dem, worum es gerade geht, den Keim eines fruchtbareren und kühneren Themas in sich, und gebrochen klingen sie in einem feineren Ton nach.« Michel de Montaigne, Essais Pléiade, Paris (Ausgabe A.Thibaudet) 1937, Buch 1, Kapitel 40, Seite 252).

Aus diesem Zitat geht hervor, daß Michel de Montaigne einer der frühen Autoren der französischen Renaissance war, der keine Gedichte schrieb und doch offen seine Gedanken, seine Glaubenssätze und seine Betrachtungen über sein Leben und seine Reisen zum Ausdruck brachte, nur um den Denkern, Schriftstellern und Studenten einen Weg zu ebnen, den sie selbst gehen konnten. Diesem Vermächtnis folgend ist »Lycée Montaigne« nach einer der berühmtesten Pariser Schulen benannt, und der Titel dieser Ausstellung von Berthold Reiß und Ben Kaufmann im Raum 58. Indem sie erstmals eine Auswahl früherer Werke zeigt, ermöglicht diese singuläre Zusammenarbeit ein grundsätzliches Verständnis sowohl ihrer Kunst als auch ihrer Profession, noch bevor es um ihre jetzige Zusammenarbeit als Künstler (Reiß) und Galerist (Kaufmann) geht.

Reiß beschreibt seine Tondo-Gemälde auch als »Schilder« – hier geschmückt mit einer eigenen weltlichen Bildsprache, die widersprüchlich ist oder aus unerwarteten Quellen stammt, die sowohl historisch als auch zeitgenössisch sein können. Zum Beispiel enthält »Sonnenaufgang« ein Muster, das Reiß auf einem kroatischen Teppich gefunden hat und das einen lebhaften Rorschach-Effekt verursacht, der einem Sonnenaufgang über dem Meer gleicht. »Hagen« ist von Carl Philipp Fohr, einem romantischen Künstler des 19. Jahrhunderts, übernommen. Dargestellt ist der Moment des Nibelungenlieds, in dem die Ritter von Burgund die Donau überqueren, um dem Hof König Etzels einen verhängnisvollen Besuch abzustatten. Vor ihnen schwebt eine graue Sphäre, die wie eine Eklipse die Dunkelheit, die vor ihnen liegt, oder ihren Untergang symbolisiert. In »rouge« gemalt oder, wie die Inschrift auf dem Bild lautet, »errötend«, geht der Kopf der Agnes auf eine Illustration zurück, die ein frühchristliches Mosaik aus der Basilica di Sant’Agnese Fuori le Mura in Rom zeigt. Alle diese bildlichen Bezugnahmen enthalten schneidende und parodistische Kommentare zur deutschen Geschichte, zur Zivilisation und zur Darstellung desMenschen.

Kaufmanns Collagen »ohne Titel« entsprechen seinen spielerischen minimalistischen Tendenzen, indem sie eine moderne »Lochbildskulptur« oder eine Gesamtheit / ein Gemälde / eine Skulptur durch eine Strategie des Weglassens oder Hinzufügens schaffen. Dieser Rest eines Kartenspiels für Kinder ergibt einen einheitlichen Rahmen, der es erlaubt, den Wandel im Ton auf den verschiedenen Papiergrundlagen zu registrieren. Auch die Arbeit aus dem Jahr 2001 widersetzt sich jeder räumlichen Illusion, indem Kaufmann in das Zentrum seiner eklektischen Komposition hinein schneidet und dadurch eine gegen die Wand schattige Lücke schafft. In einer Arbeit aus dem Jahr 2000 überarbeitet Kaufmann ein gefundenes »Seestück« in Öl, indem er das bewegte Wasser mit gestischen Markierungen betont und die Komposition durch eine Kreuzform einteilt. Das gelbe Klebeband um die Leinwand herum ist eine einfache Rahmung. Die Arbeit korrespondiert mit einem kleinen Bild, in dessen monochromes Gelb grüne Formen wie eingeschrieben erscheinen. In diesen beiden Bildern klingt eine Art »shabby elegance« nach.

Irene Bradbury