logo
     
  >Klara Hobza | Biografie | 21.10. – 04.11.2012
     
     

Archiv

 

Kontakt

 

Impressum

 

Vesna Pavlovic & Maria Finn | Thomas Splett | Fumie Sasabuchi | Matthias Lehrberger & Berthold Reiß | Matthias Lehrberger | Karin Felbermayr | Boban Andjelkovic und Motoko Dobashi | Yvonne Leinfelder | Robert Crotla | Berthold Reiß & Ben Kaufmann | Max & Hannes Gumpp | Agnieszka Szostek | Sandra Filic | Shirin Damerji | Johannes Albers 1/2 | Anne Rößner 1/2 | Evil Knievel | Department für öffentliche Erscheinungen | Ole Aselmann | Anna Witt | Stephanie Trabusch 1/2 | Lynn Lu | Jochen Schmith | Karin Felbermayr | Klara Hobza | Carola Vogt und Peter Boerboom | Manuela Grunert


filic

Sandra Filic | Modelle der Wirklichkeit | 21.03. – 29.03.2009

Modelle der Wirklichkeit sind immer Möglichkeitsformen der Realität, Vorschläge potentieller Bedeutungen und Wirklichkeitszustände. Sandra Filic nimmt in ihrer gleichnamigen Ausstellung im Raum58 den Begriff des Modells wortwörtlich und untersucht unseren zwiespältigen Umgang mit historischen Modellen der Wirklichkeit anhand (theoretischer und gegenständlicher) Modelle der architektonischen Moderne. Im Zentrum stehen dabei die Frage nach der Verfestigung von Wirklichkeitsmodellen zu kulturellen Ikonen, die museale Produktion von Wert und Bedeutung und die gleichzeitige Problematisierung der gesellschaftlichen Einlösung von architektonischen Utopien.
Wie schon in früheren Arbeiten bedient sich Sandra Filic dabei einer Methode der aktivierenden Rekonstruktion von Vergangenheit im Hier und Jetzt, die Bruchstellen sichtbar werden lässt und über eine humoristische Note kritisches Potential entfaltet.
Im Hauptraum der Ausstellung lässt Sandra Filic unter der Decke den freien Nachbau eines Kettenmodells von Frei Ott schweben (»Kettchenmodell-Memorial«). Mithilfe des Kettenmodells als technischer Hilfskonstruktion, aber auch durch Experimente mit Seifenlauge und Seifenblasen, gelang es dem deutschen Architekten Frei Otto in den Sechziger Jahren gänzlich neue Formen der freitragenden Kuppelkonstruktion zu simulieren und baulich umzusetzen. Der technische Zweck der Kettenmodelle wird in deren musealer Präsentation jedoch zunehmend durch einen künstlerisch-ästhetischen ersetzt. Dem Besucher werden sie als Skulptur vorgeführt, die das Modell der Wirklichkeit durch eine autonome künstlerische Wirklichkeit ersetzt. Unter Glasstürzen und auf einem Sockel werden sie heute als nahezu anbetungswürdiges Monument präsentiert. Die museale Inszenierung produziert und vermittelt ihre kulturelle Bedeutung.
In der Ausstellung hat Sandra Filic nicht nur das Modell, sondern auch ein spezielles Setting der Bedeutungsproduktion installiert. Eine Spiegelkonstruktion am Boden verdoppelt das Modell und verhindert gleichzeitig, dass der Besucher zu nahe heran treten kann. Das Modell wird nicht allein in direkter Anschauung, sondern auch in Form einer durch Spiegel gebrochenen und vermittelten Repräsentation gezeigt. Über die Distanz und den luxuriös anmutenden Aspekt der Spiegelfläche wird eine Aura des Besonderen entfaltet, die das Moment des Außergewöhnlichen in der musealen Inszenierung zu einem Art »Memorial« überspitzt. Zugleich hat sich das seriöse Kettenmodell in ein verspieltes »Kettchenmodell« aus heterogenen Schmuckketten und -kettchen aufgelöst. Durch Übertreibung und den bewussten Einsatz von Elementen des Kitsch unterläuft Sandra Filic die Ernsthaftigkeit der kulturellen und musealen Bedeutungszuschreibung; diese wird hintersinnig entlarvt.
Im Hinterzimmer wird eine weitere Ikone der Architekturgeschichte, das Falling Water House des amerikanischen Architekten Frank Lloyd Wright, problematisiert. Wright verband mit seinen Bauten nicht nur ein architektonisches Programm, sondern auch eine gesellschaftliche Umwälzung. Er entwickelte einen utopischen Masterplan, in dem ausgehend von moderner Architektur und Stadtplanung eine neue, echte und ganzheitliche Form der Demokratie entstehen sollte.
Bei Sandra Filic ist ein Foto des weltbekannten Falling Water House zum spießbürgerlichen Stickbild einer romantischen Landschaft über einer als Einrichtungsfetisch begehrten 50er Jahre Kommode mutiert. Die Feuerstelle, als zentraler Treffpunkt für die Gemeinschaft, um die Wright zahlreiche seiner Bauten strukturierte, hat sich in der Ausstellung (aber auch den Einrichtungsabteilungen der Möbelhäuser) als billiger Glühlampen-Fake erhalten. Die allumfassende Umarmung der Moderne durch die Populärkultur führt zu einer Banalisierung ihrer Formensprache und Ideen. Die einst mit gesellschaftlichen Utopien aufgeladene Motiv- und Formensprache ist zum Dekor eines »Home Sweet Home« verkommen. Im Demokratisierungsprozeß, mithin der Erfüllung der Utopie, ist das utopische Potential verlustig gegangen.
Der Gedanke der Uneinlösbarkeit utopischer Modelle der Moderne spiegelt sich auch in der Arbeit »Theos letztes Haus«, die ebenfalls nicht als reale Skulptur, sondern nur in Form ihrer fotografischen Repräsentation Teil der Ausstellung ist. Sandra Filic hat nach den Prinzipen der niederländischen Avantgarde Bewegung De Stijl – Purismus, Orthogonalität und Reduktion auf die Primärfarben Rot, Blau, Gelb – einen Sarg für einen ihrer Hauptvertreter, den Architekten Theo van Doesburg, entwickelt. Die De Stijl Bewegung verstand ihr künstlerisches Konzept als ein im Sinne des Gesamtkunstwerks in alle Lebensbereiche dringendes Gestaltungsprinzip. Der gestalterischen Erneuerung sollte eine gesellschaftliche folgen. Mit der Anwendung auf die Gestaltungsaufgabe eines Sarges führt Sandra Filic diesen Gedanken bis in die letzte Konsequenz fort. In der konsequenten Weiterführung und Anwendung wird die Utopie jedoch selbst zu Grabe getragen. Damit bleibt das Modell der Wirklichkeit wohl verführerischer als die Wirklichkeit selbst.
Die letzte Arbeit der Ausstellung, »Puppenhaus – Schöner Wohnen«, bezieht sich auf die idealistischen Wohnbaukonzepte der Nachmoderne, wie sie etwa Le Corbusier in seiner »Unite d’Habitation« – der Wohnmaschine – vertritt. Ziel war, der breiten Masse durch Standardisierung und modulhafte Reihung erhöhten Wohnkomfort innerhalb einer nahezu autarken Gemeinschaft zu bieten. Diese fast schon romantisch-naive Vorstellung des idealen Zusammenlebens wurde jedoch mit ihrer Ghettoisierung endgültig enttäuscht. Sandra Filic zeigt uns nun ein aus einzelnen Schachteln modulhaft aufgereihtes Modell, in dessen Inneren sich statt Möbel und Menschen geometrische Formen wie Kugeln oder Quader befinden. Sie führt das Realität gewordene Modell der »Wohnmaschine«, das in der Wirklichkeit fatal fehlgeschlagen ist, wieder in ein Modell zurück. Das Modell erscheint als Puppenhaus, also als modellhafte Form des Hauses an sich, in dem sich zeittypische Geschmacksvorlieben des Wohnens spiegeln, in diesem Fall konkret die Gestaltungsvorlieben der Moderne. Der moderne Wohnbau und die damit verbundenen gesellschaftlichen Utopien werden im Puppenhaus als Spielerei vorgeführt, denen auf formaler Ebene die bemalte Schuhschachtel und das Bauklötzchen entsprechen.

Maria Schindelegger